Wechselschlag-Technik

Teil 2: Speed-Picking


Dieser Workshop wurde durch ein praktisches Beispiel angeregt. Alle folgenden Übungen beruhen auf Basslinien des Bassisten Steve Harris von der Gruppe Iron Maiden. Steve Harris beherrscht seine Wechselschlagtechnik derart, dass er anscheinend mühelos 16tel-Figuren in Tempi von 160 bpm und mehr spielen kann. Wie ich an andere Stelle immer wieder betone, ist Geschwindigkeit nur ein Nebenprodukt von Genauigkeit und daher ist es von Anfang an wichtig hier die richtigen Fingersätze zu spielen. Der kleinste Fehler dabei, kann später zum "Stolpern" führen. Wir fangen daher zunächst auch mit ziemlich langsamen Tempi an. Für diese Übungen ist ein Metronom unverzichtbar, weil wir uns nur so Stück für Stück im Tempo hocharbeiten können und Du wirst sehen, je schneller wir werden umso höher werden auch die Geschwindigkeitshürden, die wir überspringen müssen, d.h. der Wechsel von 155 bpm auf 157 bpm kann unter Umständen schwieriger sein, als der Wechsel von 100 bpm auf 110 bpm.

Damit Du Dich voll und ganz auf die Anschlagshand konzentrieren kannst, habe ich die ersten Übungen als Leer-Saiten-Übungen konzipiert. Das störende Ineinanderklingen der leeren Saiten beseitigst Du, indem Du z.B. im V. Bund Deine Ganze Hand (oder auch nur den Zeigefinger) quer über alle Saiten legst und somit die Saiten abdämpfst. In der Notation habe ich das durch die Dead-Notes (die Notenköpfe bestehen aus einem "x") dargestellt.

ÜBUNG A:

Die erste Übung besteht zunächst nur aus Achtelnoten. Ich sagte ja, dass wir langsam anfangen und uns nach und nach an den High-Speed herantasten wollen. Wir beginnen mit einem Tempo von 100 bpm.

Achte in dieser Phase des Übungsprozesses genau auf die Finger Deiner Anschlagshand und spiele genau den notierten Fingersatz (i m i m ...). Potentielle Fehlerquellen sind hier natürlich die Stellen, an denen Saiten-Sprünge ("String-Crossing") auftreten, z.B. beim Wechsel von der G-Saite zur A-Saite am Ende jedes Taktes.

Wechselschlag-Exercises zu Trooper 1.gif (4528 Byte)

Das Hauptproblem dieser Linie stellt jedoch die Überbindung von der "4+" zur "1" des Folgetaktes dar, denn auf diese Weise musst Du nur sieben Mal pro Takt anschlagen. Das bedeutet für den Wechselschlag, dass die Takte abwechselnd mit "i" und "m" beginnen. Achte besonders in der zweiten Hälfte der Takte (beim String-Crossing) auf die abwechselnden Führungsfinger.

Lass Dir beim Üben dieser Wechselschlag-Exercises viel Zeit und steigere das Tempo nur sehr langsam. Achte auf die Genauigkeit Deines Spiels, auch rhythmisch sollte alles gleichmäßig fließen. Oft ist man nach dem "String-Crossing" leicht zu spät, was man bei "langsamen" Tempi noch merken und kontrollieren kann. Bei schnellen Tempi ist das nicht mehr möglich und das Resultat ist einfach der berühmte Knoten in den Fingern. Überhaupt solltest Du folgendes bedenken. Bei den sehr schnellen Tempi wird es sehr schwer einzelne Fingerbewegungen wirklich noch bewusst zu steuern und daher laufen die Finger normalerweise auf Autopilot, d.h. das Unterbewusstsein steuert die Bewegung. Allerdings muss der Autopilot vorher richtig programmiert werden und genau das tust Du mit den langsamen Übungen, indem Du Dir jedes Detail jeder erforderlichen Bewegung zunächst einmal bewusst machst. Das ist in etwa so, als würde man einem Roboter die Bewegungen beibringen wollen. Man muss zunächst die Bewegung im Detail studieren und dann dem Computer Schritt für Schritt beschreiben in welcher Reihenfolge, mit welcher Intensität, in welcher Richtung, mit welcher Geschwindigkeit usw. jeder Finger bewegt werden muss. Also eine Fülle an Informationen die verarbeitet werden muss.
Aus diesem Grund sage ich auch folgenden Satz:

Nur was man langsam richtig spielen kann, kann man auch richtig schnell spielen!

Das bedeutet fürs Üben:

  1. so langsam beginnen, wie man noch alle Details der Bewegung gut beobachten kann
  2. das Tempo nur vorsichtig steigern und in jeder Tempostufe viele Wiederholungen spielen (wer meine Artikel über die "Physiologie des Lernens" kennt, weiß, dass diese Wiederholungen etwas mit der Programmierung unseres Gehirn-Computers zu tun haben)
  3. überanstrenge Dich nicht! Wenn Du Schmerzen in den Fingern/Händen bekommst, höre sofort auf zu üben und gönne Dir eine kleine Pause oder mache am nächsten Tag erst weiter
  4. das Geschwindigkeitstraining ist ein Langzeitprojekt. Man kann nicht von heute auf morgen sein Spieltempo unendlich steigern. Es kann Wochen, ja in Extremfällen sogar Monate dauern bis man obige und vor allem die nachfolgenden Übungen im Originaltempo von 160 bpm spielen kann. Habe Geduld! Ich empfehle für solche langfristigen Übe-Projekte immer eine Art "Übe-Tagebuch" zu führen, in das Du Deine Fortschritte eintragen kannst. Das motiviert, weil man schwarz auf weiß sehen kann, dass es vorwärts geht. Ich trage an jedem Übungstag hinter das Datum eine kurze Beschreibung der Übung ein (z.B. Wechselschlag: Speed-Technik, Exercise A) und dahinter das Tempo ein, dass ich an diesem Tag locker spielen konnte (lese auch was ich zum SIT = sicheres Tagesmaximum in einem anderen Wechselschlag-Workshop geschrieben habe).

Doch nun endlich weiter mit unseren Übungen..

ÜBUNG B:

Wechselschlag-Exercises zu Trooper 1B.gif (2857 Byte)

Ich habe hier nun also Sechzehntel ergänzt und das bedeutet, dass Du das Tempo zunächst einmal auf 80 bpm zurückstellen solltest. Die "Gefahrenstellen" sind immer noch die gleichen geblieben, es gibt nur ein anderes rhythmisches Feeling.

 

In der nächsten Übung nehmen wir jetzt die Greifhand dazu, was zwei neue Aspekte bedeutet. Zum einen musst Du natürlich jetzt Deine Aufmerksamkeit zweiteilen, damit die Greifhand auch die richtigen Bünde trifft. Aber der schwerwiegendere Aspekt – in Hinsicht auf Geschwindigkeit – ist die Koordination der Finger der rechten und linken Hand. Es ist nämlich so, dass die Finger und Hände, besonders bei hohen Geschwindigkeit mit Autopilot dazu tendieren symmetrisch zu agieren. Ich versuche das mal zu erklären: Wenn meine Anschlagshand die Kombination i m spielt, dann erfolgt die Bewegung auf meinen Körper bezogen von links nach rechts (jedenfalls bei Rechtshändern), denn der Zeigefinger der rechten Hand befindet sich links vom Mittelfinger. Diese Bewegungsrichtung möchte nun die Greifhand unbewusst auch einschlagen, was bedeuten würde wir spielen von tiefen nach hohen Bünden, also z.B. 3. Bund auf 4. Bund. Wenn ich nun in der Greifhand entgegengesetzt spielen möchte, z.B. erst 4. Bund und dann 3. Bund (von rechts nach links), so mag das bei normalen Geschwindigkeit kein Problem sein, bei High-Speed ist es aber eins. Daher musst Du Dir auch hier wieder beim langsamen Üben die Gegenläufigkeit der Handbewegungen bewusst machen und in Deinen Hirn-Conmputer einspeichern.

ÜBUNG C:

Schauen wir uns zunächst einmal die Übung C an:

Wechselschlag-Exercises zu Trooper 1C.gif (4841 Byte)

Nun, wo finden wir gegenläufige Passagen??

Eigentlich nur die letzten beiden Töne im vierten Takt. Man sieht es auch sehr schön an der Tabulatur im Vergleich mit dem Fingersatz. Der Ton "d" im fünften Bund der A-Saiten soll mit dem Mittelfinger (m) angeschlagen werden und der Ton "e" im siebten Bund mit dem Zeigefinger (i). Das sind genau die Stellen, wo Dir Dein Gehirn bei schnellen Tempi einen Streich spielt, daher muss man solche Passagen besonders bewusst üben.

Wir kommen langsam zum großen Finale dieses Workshops, in dem ich Dir eine ganze Passage aus dem Iron Maiden Stück "The Trooper" präsentiere, die Du vielleicht mit den neu gewonnenen Fertigkeiten irgendwann auch mal mit 160 bpm spielen kannst. Viel Spass ;-)

ÜBUNG D:

Wechselschlag-Exercises zu Trooper 1D.gif (15284 Byte)


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