Wechselschlag-Technik

 

Einer der häufigsten Gründe warum man sich bei bestimmten Passagen verspielt, liegt in der Anschlagshand und nicht – wie viele glauben – beim Greifen.

Die Wechselschlagtechnik der rechten Hand gehört zu den "basic concepts" des Bass-Spielens und meine Erfahrung aus Unterricht, Workshops oder auch Diskussionen in Bass-Foren zeigt mir, dass sehr viel Verwirrung herrscht. Daher hier mal ein kleiner Workshop zu diesem Thema.

Das Grundkonzept des Wechselschlags besteht darin die Saite alternierend mit Zeige- (i) und Mittelfinger (m) anzuschlagen. Es gibt auch Wechselschlagtechniken mit drei oder gar vier Fingern, aber grundsätzlich kommt man mit zwei Fingern bestens aus und ich beschränke mich daher hier auf die Grundtechnik mit zwei Anschlagsfingern.

Nun gibt es vier Punkte, die man beim Wechselschlag (auch in dieser Reihenfolge) beachten und trainieren muss:

  1. Striktes Abwechseln von Zeige- und Mittelfinger auch bei Sprüngen über mehrere Saiten
  2. Gleichmäßigkeit des Anschlags. Da Zeige- und Mittelfinger normalerweise unterschiedlich lang sind, ist auch die Kraftübertragung verschieden (Hebelgesetz). Es bedarf also einiger Übung damit alle Töne auch wirklich gleich laut sind. Diese Gleichmäßigkeit ist z.B. notwendig für "smoothe" Achtel- oder Sechzehntel-Linien, die einen soliden Background bilden, auf denen dann die Harmonien der anderen Instrumente - wie auf einem festen Fundament – aufgebaut werden können. Ungleichmäßigkeiten in der Basslinie würden sofort Unruhe in den Sound bringen und damit den Groove zerstören. Gute Beispiele hierfür sind Achtelrockbasslinien wie sie bei AC/DC vorkommen oder funkige Sechzehntellinien wie bei "Parallel Universe" von den Red Hot Chili Peppers oder "What is hip" von Tower of Power.
  3. Kondition! Ohne Kondition kannst Du diese Gleichmäßigkeit nicht über die Dauer eines ganzen Songs durchhalten.
  4. Kontrolle! Damit ist gemeint, dass man möglichst immer die einzelnen Finger getrennt kontrollieren kann. Das ist z.B. notwendig um bestimmte Akzente oder rhythmische Nuancen spielen zu können, ohne dabei aus dem Wechselschlagmuster rauszufliegen.

Um all diese Dinge während des Übens beachten zu können muss man vor allen Dingen langsam üben. Erinnere Dich an die Ausführungen über "chunks" im Kapitel über das Üben im Intro des Buches.

Konzentriere Dich bei den Übungen zunächst auf den strikten Wechselschlag, danach höre auf die Gleichmäßigkeit.
Die Kondition trainierst Du, indem Du die jeweiligen Übungen anschließend zum Metronom oder Drumcomputer spielst und dabei viele Male wiederholst. Steigere nach und nach das Tempo (in kleinen Schritten z.B. jeweils 2 bpm mehr). Sobald Du rausfliegst, solltest Du das Tempo wieder ein Stück zurücknehmen und wieder mit der Abarbeitung der Punkte von vorne beginnen, also: Spielen die Finger noch im strikten Wechselschlag, oder hat sich beim Steigern des Tempos doch ein kleiner Fehler eingeschlichen? Ist der Anschlag noch gleichmäßig? Erst wenn Du diese Fragen mit "ja" beantworten konntest, kannst Du das Tempo wieder steigern.

Die Kontrolle mit Akzenten werden wir in gesonderten Übungen trainieren.

Die Wechselschlagübungen werden anfangs grundsätzlich auf Leersaiten geübt. Man kann sich so völlig auf die rechte Hand konzentrieren. Damit man sich auch nicht allzu viele Gedanken über das Abdämpfen der Saiten machen muss, lege ich einfach einen Finger quer über das Griffbrett und spiele "Deadnotes" bzw. wenn der Finger z.B. über dem fünften Bundstäbchen liegt auch "Flagolett-Töne".
In der Notation sind daher die Noten als "Deadnotes" (also mit einem "x" als Notenkopf) dargestellt.

Damit der praktische Nutzen dieser Übungen auch gleich klar wird, habe ich die folgenden Wechselschlagübungen aus der Bassline zum Intro des Songs "Bombtrack" von Rage against the Machine abgeleitet. Damit Ihr dass auch für andere Songs so machen könnt, erkläre ich zunächst, wie ich zu den Übungen gekommen bin.

Hier einmal die Bassline zum Intro des Songs:

Intro zu Bombtrack

Eine Sechzehntel-Linie im mittlerem Tempo mit einigen Saitensprüngen der rechten Hand stellt hier die Herausforderung dar.

Ich zerlege nun die Basslinie in einzelne Übungsabschnitte und verändere die Notenwerte zu Achteln, um mit dem Metronom kleinere Temposchritte machen zu können.

So wird aus den ersten 8 Noten folgender Takt:

Teil 1 der Basslinie

Jetzt lassen wir noch die Greifhand weg und somit wird aus dem 1. Teil der Basslinie folgende Leersaiten-Übung:

Leersaiten-Version des Licks

So, das ist das Ausgangsmaterial, aus dem die folgende Wechselschlag-Übung entstanden ist.

ÜBUNG A:

Wechselschlag-Übung A

Lass Dich von der Tempoangabe nicht beirren, wir fangen ganz langsam an. Die Tempoangabe habe ich nur darüber geschrieben, damit wir wissen, wie schnell wir die Übung mindestens können müssen, um später die Bassline im Song spielen auch hinzukriegen (bei Sechzehnteln war das Tempo 76bpm, dann ist es bei Achteln doppelt so schnell, nämlich 152bpm).

Unter die Noten habe ich jetzt den "Fingersatz" für die Anschlagshand eingetragen und zwar in zwei Versionen, nämlich einmal beginnend mit dem Zeigefinger (i) und einmal beginnend mit dem Mittelfinger (m). Übe unbedingt beide Versionen. Du wirst bald feststellen, dass Dir eine Version besser gelingt als die andere, das ist fast immer so. Konzentriere Dich dann auf die Version, die für Dich schwieriger ist. Du wirst später sehen, warum es so wichtig ist, dass man beide Versionen gleich gut spielen kann.

Stelle nun ein Metronom auf ca. 60bpm. Spiele jetzt nur den ersten Takt der Übung und achte dabei ganz genau auf Deine Anschlagsfinger. Sie sollten genau den Fingersatz spielen, der unter den Noten steht (also striktes Abwechseln).

Wenn das klappt, achte jetzt auf die Gleichmäßigkeit des Anschlags. Bist Du auch damit zufrieden, kannst Du das erste Mal das Tempo um 2-3bpm steigern. Kontrolliere wieder die angegebenen Punkte und bei positivem Ausgang erhöhe erneut das Tempo usw.

Du wirst irgendwann an ein Tempo kommen, wo Deine Finger Dir nicht mehr gehorchen und anscheinend machen, was sie wollen. Gehe dann im Tempo so weit zurück, bis Du wieder volle Kontrolle hast. Dieses Tempo (ich nenne es "sicheres Tagesmaximum = SIT") solltest Du in einer Art Übetagebuch festhalten. Dieses SIT ist Dein Leitfaden für den nächsten Übungstag. Beginne dann ca. 10bpm unter dem SIT und versuche so weit zu steigern, bis Du das Tempo des Vortages überboten hast, und wenn es nur um 1bpm ist. Dieses Tempo notierst Du wieder usw. Notiere aber nur die SIT und nicht das Tempo, bei dem Du festgestellt hast, daß Du die Übung nicht mehr sauber spielen kannst. Die SIT ist nicht die schnellste Geschwindigkeit, die Du am Übungstag gespielt hast, sondern die, bei der Du noch sauber und kontrolliert spielen konntest. Sei dabei ehrlich zu Dir selbst! Eine Fehleinschätzung bringt Dich nicht weiter.

Übung a)
13.09.2003: SIT = 65 bpm
14.09.2003: SIT = 68 bpm
15.09.2003: SIT = 72 bpm

Der zweite Takt der Übung, den Du dann so langsam auch mitmachen solltest, beinhaltet das gleiche Pattern, aber auf einer andere Saitenkombination gespielt. Naturgemäß stellt jetzt der Übergang zwischen den Pattern das Hauptproblem dar. Konzentriere Dich also darauf und nimm gegebenenfalls dazu das Übetempo wieder um einige Stufen zurück.

 

ÜBUNG B:

Wir kommen nun zum zweiten Teil des ersten Taktes der Basslinie von "Bombtrack". Die Übung, die ich daraus gewonnen habe, sieht folgendermaßen aus:

Wechselschlag-Übung B

 

Der Schwierigkeitsgrad dieser Übung liegt in der Tatsache begründet, dass wir eine ungerade Anzahl von Noten im Takt haben. Dadurch ändern sich das Wechselschlagpattern von Takt zu Takt. Der erste Takt beginnt mit dem Zeigefinger (i), der zweite Takt mit dem Mittelfinger (m). Aus diesem Grund habe ich oben erwähnt, wie wichtig es ist, immer beide Versionen gleich gut zu können. Schnell kann es passieren, dass sich durch einen Fill mit ungerader Anzahl an Noten ein Wechselschlag-Pattern umdreht.

Spiele diese Übung wieder nach obigen Schema. Beginne mit Tempo 60bpm, kontrolliere die angesprochenen Punkte und steigere das Tempo, bis zum SIT und notiere in Dein Übetagebuch.

 

ÜBUNG C:

Die letzte Leersaitenübung zur Bombtrack-Bassline kombiniert die beiden Übungspattern A + B zu einer zweitaktigen Übung:

Wechselschlag-Übung C

Auch hier wechselt natürlich das Wechselschlag-Muster alle zwei Takte ab.

Übe wieder wie bereits besprochen.

 

ÜBUNG D:

Jetzt kann man die gegriffenen Töne langsam wieder dazunehmen. Reduziere dazu wieder das Tempo bzw. beginne am besten neu von 60bpm:

Zunächst wieder nur der erste Teil der Basslinie:

Wechselschlagübung D

ÜBUNG E:

Dann den zweiten Teil isoliert üben:

Wechselschlag-Übung E

Und schließlich die komplette Basslinie. Ich notiere jetzt wieder wie im Original als Sechzehntelnoten. Achte darauf an welchen Stellen das Wechselschlagpattern sich jeweils umdreht.

Bei Sechzehntel solltest Du vielleicht mit 50bpm die Übesession beginnen können.

Basslinie zu Bombtrack mit Wechselschlag

Wie Du siehst haben wir es unter Berücksichtigung des Wechselschlag-Fingersatzes hier eigentlich mit einer 4-taktigen Figur zu tun.

 

Alle obigen Übungen können natürlich auch zum Üben der Plektrum-Technik verwendet werden. Ebenso wie sich beim Wechselschlag Zeige- und Mittelfinger abwechseln, sollten beim Spiel mit dem Plektrum Auf- und Abschlag kontinuierlich abwechseln.

Nun hoffe ich, dass ihr mit Hilfe dieser Anleitung nicht nur gezielt Wechselschlag üben könnt, sondern auch Euch selbst entsprechende Übungen erstellen könnt. Wenn in einem Song, den man üben will, eine schwierige Stelle auftaucht, sollte man sich zunächst solche Wechselschlagübungen daraus ableiten. Man gewinnt dadurch viel höhere Genauigkeit und schult seine technischen Fähigkeiten.

 


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